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Die Kolumne

Jeden Monat stanzen Kudernatsch & Co hier etwas Neues für euch zurecht. Diesmal heißt es:

Unsere Kaugummi-Zukunft

Kaugummiblase
Als Kind dachte ich immer, das Jahr 2010 ist weit weg und da ist dann Zukunft. Im Fach Zeichnen haben wir unsere Visionen brav mit Tusche gemalt: „So stelle ich mir die Zukunft vor“ lautete die Aufgabe. Und wir haben sie uns prima vorgestellt – nämlich so:

Wir haben alle Kosmonautenhelme auf – und wir setzen sie nur ab, um Kosmonautennahrung aus Tuben zu essen. Sie schmeckt viel besser als Zahnpasta und ist sehr gesund. Wir wohnen in ganz hohen Häusern, die unten dünn sind und oben dick und trotzdem nicht umkippen. Das ist klar, dass die unten dünn sind, weil unten sowieso keiner mehr wohnen will. Raketen fliegen hoch oben durch die Luft – und Elektroautos, die alle wie Rennwagen aussehen, fliegen weiter unten durch die Luft. Ganz unten, wo die dünne Stütze der Häuser ist, sind ein paar Fußgänger unterwegs. Wer genau hinguckt, erkennt viereckige Roboter. Roboter bringen nämlich in der Zukunft die Schulmilch – und dafür ziehen ihnen die jungen Pioniere die Schrauben nach und ölen sie. Alle lachen, und die Sonne scheint.

Nun, 30 Jahre später, sieht alles anders aus als auf den Bildern aus dem Fach Zeichnen und dem Schulhort. Kosmonautenhelme hat keiner auf, höchstens Tücher vor dem Mund, wenn Grippe von Vögeln oder Schweinen droht. Dünne und dicke Hochhäuser, um die Flugzeuge oder Raketen rasen, haben überhaupt keine Lobby mehr. Autos fliegen auch nicht – höchstens Autobauer. Schulmilch ist gestrichen, Pioniere sind ausgestorben – kein Wunder, dass da auch die Roboter ausbleiben – die hätten ja sowieso nichts zu tun und würden nur rosten, wenn die Pioniere sich nicht um sie kümmern.

Ich wohne heute in keiner Stadt der Zukunft – ich wohne in Erfurt. Ich bin hier kleben geblieben. Auch wenn der Oberbürgermeister und die Stadtwerke zur großen Mobilmachung aufgerufen haben – unter dem Motto „In Erfurt leben, nicht kleben“. Die Plakate dazu zeigen Hunde und Frauen, die in Kaugummis gelatscht sind und lange Klebefäden ziehen. Die Hunde werden Gummitiere genannt – die Damenschuhe Gummistiefel. Das prangert an – und soll Erfurt zur kaugummifreien Stadt machen, in der tüchtig gelebt, aber nie wieder geklebt wird, wohl aber gestempelt.

Knatscher – wie wir Kaugummis immer genannt haben – dürfen im neuen Erfurt allenfalls noch in Knatschzonen durchgekaut werden – gleich neben den Raucherecken. Und wer sich nicht daran hält, wird mit Gummistiefeln und Gummitieren beworfen!

Doch ich kann mich nicht rausreden und möchte ehrlich sein: Auch ich habe nichts getan, um den Kaugummis in der Zukunft eine Heimat zu geben. Ich habe sie damals nicht in mein Zukunftsbild hinein gemalt – ich habe sie einfach nicht in der Zukunft gesehen! Ich bin also nicht besser als unsere gummifeindlichen Stadtoberen. Aber ich habe es Anfang 2010 gemerkt.

Singend werde ich fortan durch die Stadt ziehen und trällern: „Ob grün, ob rot, ob blau – Kaugummi, kau!“ oder: „Bubble Gum, geh du voran!“ oder „Ob Schlaumi oder Dummi – gib Gummi, gib Gummi!“ Und ich werde allen Kindern einschärfen: „Malt Kaugummiblasen in Eure Zukunftsbilder! Denn Blasen sind Eure Zukunft!“

(Kudernatschs Kolumne. Aus: Blitz! Das Stadtmagazin für Erfurt, Jena und Weimar. Nr. 1/2010)

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